Montag, 17. Mai 2010

Lagebericht Nr. 5

Die iranische Gesellschaft befindet sich derzeit in einer angespannten Lage. Zum Einen versucht das Regime täglich mit neuen Verhaftungen, Urteilen und selbst Hinrichtungen jegliche politische Aktivität der Grünen Bewegung im Keim zu ersticken. Zum Anderen hat die Grüne Bewegung längst mit den Vorbereitungen für den Jahrestag des 22. Khordad angefangen.

Es war der 15. Juni 2009, an dem über drei Millionen friedliche Demonstranten in den Straßen Tehrans Präsenz zeigten und fragten: Wo ist meine Stimme? Dieser Tag, der durchaus als Geburtsstunde der Grünen Bewegung angesehen werden kann, war ein Wendepunkt in der jüngsten Geschichte des Iran. Nach 30 Jahren Unterdrückung erhebte sich das Volk entschlossen und selbstbewusst, um den Wahlbetrug zu entlarven. Die Protestwelle breitete sich schnell im ganzen Land aus. Die Welt bekam das wahre Gesicht des iranischen Volkes zu sehen. Mit vereinter Stimme stellte sich ebendieses Volk an jenem 22. Khordad gegen ein Regime, das in 30 Jahren außer Lug und Trug keinen Beitrag für das Gemeinwohl der Menschen geleistet hat. Es war nicht mehr nur der Protest von Studenten und jungen Leuten aus einer privilegierten Schicht. In der Geburtsstunde der Grünen Bewegung standen alle Gesellschaftsschichten, alle Altersgruppen unabhängig von ethnischer oder religiöser Zugehörigkeit gegen ein brutales Regime, dessen Antwort auf friedlichen Protest die inhumane Gesinnung der Herrschenden offen legte. Es blieb nicht dabei. Nach Monaten des Widerstandes hat sich eine Volksbewegung formiert, die nun nicht mehr allein den Wahlbetrug moniert, sondern die Systemfrage stellt. Die Grüne Bewegung hat klare Forderungen formuliert und mit ihrer dezentralen Führungsphilosophie, nach der jeder Bürger ein Führer ist, ihre demokratische Vorstellung einer Gesellschaft manifestiert.

Trotz der rohen Gewalt, die das Regime in seinen Folterkellern und selbst auf den Straßen Irans an den Tag legt, ist die Grüne Bewegung gewillt den 15. Juni 2010 zu einem grünen Tag zu verwandeln. Erneut soll das Volk seine Ablehnung zeigen.

Das Regime hat über die vergangenen Monate immer wieder mit Nachdruck versucht den Widerstand zu brechen. Ohne Erfolg. Die barbarischen Akte, bis hin zu den Hinrichtungen der vergangenen Woche, haben den Kampfgeist der Bewegung nur gestärkt. Allein in den letzten Tagen haben die Menschen ihre Bereitschaft zum Widerstand, insbesondere für den 22. Khordad, durch Schriftzüge an den Wänden und an anderen öffentlichen Plätzen verkündet.

Dass es ein langer, schwieriger Kampf sein wird, um ein Regime in die Knie zu zwingen, war auch schon am 22. Khordad 2009 klar. Dass allerdings ein Jahr später eine willensstarke Bewegung, die ihre Kraft aus ihrer Diversität gewinnt, einem von Tag zu Tag brüchigerem Regime gegenübersteht, hätte wohl kaum jemand für möglich gehalten.

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