Sonntag, 21. März 2010

Lagebericht Nr. 4

Das Feuerfest vergangenen Dienstag wurde vom iranischen Volk ausgiebig und nach den vorislamischen Traditionen gefeiert. Aufgrund der politischen Krise in der sich die Islamische Republik seit den Präsidentschaftswahlen befindet war dieses Jahr der Charshanbe Souri besonders politisch geprägt. Die Grüne Bewegung hat in allen großen Städten Irans Präsenz gezeigt. Selbst in kleinen Provinzstädten gab es Anti-Regime-Demonstrationen. Nachdem Khamenei verkündet hatte, dass das Feuerfest nicht "islamisch" und deswegen das Feiern an diesem Tag nicht legitim sei, war das Volk insbesondere daran interessiert, dem Führer seinen Ungehorsam zu zeigen. Junge Leute feierten auf den Straßen, tanzten um kleine Scheiterhaufen, sprangen darüber, zündeten selbstgebastelte Feuerwerkskörper, verbrannten Bilder der Führer der Islamischen Republik. In weiten Teilen des Landes erschallte der Ruf: Tod dem Diktator!

Nach dem 22. Bahman, den das Regime als Sieg propagierte, war dieser Tag nun selbst für die Hardliner der Beweis, dass die Grüne Bewegung noch lebt und sogar stärker geworden ist. Die Bewegung hat es geschafft geografisch zu expandieren. Besonders in kleinen Städten wie beispielsweise Boroujerd kam es zu schweren Straßenschlachten mit Sicherheitskräften und Basijis. Die zahlenmäßig starke Präsenz des Volkes führte zu einer Verunsicherung der Anti-Aufruhr-Einheiten, so dass sie sich an manchen großen Plätzen in Tehran zurückziehen mussten. Strategisch war es sicher klug, dass das Volk sich anders als bei vergangenen Gelegenheiten nicht auf zentrale Punkte in Tehran konzentriert hat, sondern verschreut über alle Viertel protestiert hat. Trotz der enormen Militarisierung der großen Städte, die bereits im Vorfeld eingeleitet wurde, hat es die Grüne Bewegung geschafft der Führung des Regimes zu zeigen, dass es keinen Wert darauf legt, was sie über iranische Traditionen, die nicht islamischer Herkunft sind, denkt. Die quantitative Stärke und die geografische Ausbreitung der Proteste sind als Sieg zu werten.

Zudem haben die Menschen zum Neujahrsabend während der Rede Khameneis sowie während der Ausstrahlung der Neujahrsbotschaft von Ahmadinejad auf den Dächern Tehrans "Gott ist groß" und "Tod dem Diktator" gerufen. Ferner haben Karroubi, Mousavi und dessen Ehefrau Rahnavard in ihren Neujahrsbotschaften die Kampfbereitschaft und Ausdauer der Bewegung unterstrichen und dabei das inhumane Vorgehen des Regimes gegen das eigene Volk nach den Wahlen auf das Schärfste verurteilt.

Die Ereignisse verdeutlichen, dass die Bewegung sich weiter entwickelt hat und nicht mehr wegzudenken ist. Trotz aller Bemühungen, aller Repressionen und aller unmenschlichen Methoden hat es das Regime nicht geschafft, die Bewegung zum Erliegen zu bringen. Im Gegenteil: Das harte, menschenverachtende Vorgehen hat die Wut der Menschen nur verstärkt.

Die iranische Gesellschaft befindet sich in einem dauerhaften Ausnahmezustand. Dieser lange zermürbende Prozess wird von Tag zu Tag, von Monat zu Monat immer mühsamer und kräftezehrender für das Regime und seine Kräfte. Die Beharrlichkeit des Volkes erweist sich als nervenaufreibend für die Regierung. Dieser anhaltende Druck, die starke Militarisierung der Städte kann kein Zustand von langer Dauer sein. Die Mobilisierung und Motivation der eigenen Kräfte wird für das Regime langfristig sehr beschwerlich werden.

Nun blicken wir auf den 13. Tag nach Neujahr. Zu diesem traditionellen Anlass feiern die Iraner das Ende der Neujahrsfeiertage. Man kann davon ausgehen, dass dieser Tag ebenfalls zu breitem Protest gegen das Regime genutzt werden wird.

Frohes und erfolgreiches neues Jahr!

Ich wünsche allen, die das persische Neujahrsfest feiern, ein erfolgreiches neues Jahr! Möge es gesäumt sein mit Gesundheit und Glück.

Das Jahr wird, wie Mousavi verkündet hat, das "Jahr der Geduld und der Beharrlichkeit" sein. Auf dass das grüne Volk Irans seine Freiheit auf diesem schwierigen Pfad erlangt.

Freitag, 12. März 2010

Lagebericht Nr. 3

Die letzten Wochen waren geprägt von den Repressalien des Regimes. Täglich werden Studentenaktivisten, Politiker, Journalisten, Menschenrechtler, Aktivisten der Frauenbewegung, Arbeiterführer und Intellektuelle festgenommen, verschleppt und in die Zellen der berüchtigten Gefängnisse Evin oder Gohardasht gesperrt. Einige werden sogar an unbekannten Orten festgehalten. Es gibt nur spärliche Informationen vom Gesundheitszustand der Gefangenen. Vielen wird der Zugang zu ärztlicher Versorgung und Medikamenten verwehrt. Die Inhaftierten werden hingegen körperlicher und psychischer Folter ausgesetzt. In sogenannten Hundezwingern müssen einige Gefangene tagelang mit verbundenen Augen ausharren. Die Zellen sind so klein, dass sie nur gekrümmt sitzen können. Hinzu kommt, dass die Familien und Freunde der Gefangenen unter Druck gesetzt werden. Es gab Berichte darüber, dass Mütter nachts angerufen wurden, so dass sie telefonisch das Winseln und Röcheln des Gefolterten mitbekamen. Solche unmenschlichen und grausamen Methoden sollen die Aktivisten der Grünen Bewegung seelisch zerstören, ihre Persönlichkeiten brechen.

Auf der anderen Seite gibt es täglich Berichte darüber, dass Gefangene entlassen werden. Meist müssen die Familien horrende Kautionen zahlen (teilweise bis zu 1 Millionen Euro). Die Entlassenen sind allerdings nicht wirklich frei. Sie sind nur auf Bewährung auf freiem Fuß und können sich so lange in "Freiheit" aufhalten, so lange sie jegliche politische Aktivität unterlassen. Somit bleiben sie faktisch "Gefangene ausserhalb des Gefängnisses". Durch die ständige Rotation wird praktisch das ganze Volk in Geiselgefangenschaft genommen.
Nachdem die Entlassenen in ihre Familien zurückkehren soll ihnen zudem bewusst werden, dass ihr politisches Engagement ihren Liebsten geschadet hat. Sowohl seelisch mussten sie leiden, als auch finanziell. Meist fehlte der Ernährer der Familie. Oft sind es auch die hohen Kautionen die den finanziellen Ruin besiegeln. Mit dem Freilassen der Gefangenen bezweckt das Regime folglich auch, dass die Oppositionellen sich aufgrund dieser schweren Folgen von ihrem politischen Engagement distanzieren. Ferner will das Regime der Welt zeigen, dass sie politische Gefangene entlassen hat.

Trotz dieser harten Vorgehensweise ist der Wille der Grünen Bewegung ungebrochen. Sowohl Karroubi, Mousavi als auch Mousavis Frau Rahnavard bekräftigten ihren Widerstandswillen und merkten an, dass der Regierung die Legitimation durch das Volk fehle. Auch Rafsanjani verkündete, dass eine Regierung ohne die Unterstützung des Volkes nicht bestehen könne.

Dagegen versucht das Regime eine Atmosphäre zu schaffen, in der Angst, Hoffnungslosigkeit und Tod vorherrschen. Ein dunkler Schleier soll das Bewusstsein einer ganzen Gesellschaft umhüllen, so dass die Grüne Bewegung stirbt. Geprägt ist dieses Unterfangen von der Angst des Regimes vor den Neujahrsfeiertagen in der kommenden Woche. Beginnen wird es am Dienstag dem 16. März mit dem "Charshanbe Souri", dem sogenannten Feuerfest. Eine Tradition aus der vorislamischen Zeit, bei dem die Menschen über Feuer springen, um die bösen Geister in den Flammen zu verbrennen, damit das neue Jahr von Glückseligkeit begleitet wird. In diesem Jahr werden die Menschen die Diktatur symbolisch in den Flammen verbrennen. Bilder des Diktators Khamenei werden aufflammen, womit dem Regime verdeutlicht wird, dass das gesamte System am Verglühen ist. Die Politisierung dieser Tradition hat bereits vor einigen Jahren begonnen. Diesmal steht das Feuerfest allerdings unter den Vorzeichen von acht Monaten Widerstand, Folter und Mord. Dieser Tag stellt wieder eine wichtige Etappe auf dem Pfad der Grünen Bewegung dar.