Samstag, 6. Februar 2010

Lagebericht Nr. 2

Der heutige Bericht steht ganz unter dem Vorzeichen der kommenden Tage. Der 22. Bahman ist nahe und die ganze Welt schaut gespannt auf diesen mit großer Wahrscheinlichkeit historischen Tag.

Nach den Hinrichtungen zweier Oppositioneller vergangene Woche gab es weltweit eine Welle der Empörung und des Protestes gegen das Regime. Sowohl Arash Rahmanipour als auch Mohammad Reza Ali Zamani wurde vorgeworfen "Feinde Gottes" zu sein und Propaganda gegen das System betrieben zu haben. Zudem sollen sie die Ashura-Proteste geplant haben. Ihnen wurden durch Folter und Einschüchterung der Familien falsche Geständnisse aufgezwungen, auf dessen Grundlage sie im Sinne der Anklage für schuldig befunden wurden. Die Verbindung zu den Ashura-Protesten erscheint grotesk, da sowohl Ali Zamani als Rahmanipour bereits im April 2009 festgenommen worden sind.
Mousavi und Karroubi verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung die Hinrichtungen. Die Exekution der Beiden sollte eine Warnung an das Volk sein, sich nicht den Protesten des 22. Bahman anzuschließen. Zudem wurde verkündet, dass weitere neun Inhaftierte "in Kürze" exekutiert werden sollen. Diese Strategie der Abschreckung erscheint allerdings aufgrund des zornigen Gemütszustands der iranischen Gesellschaft wirkungslos.

Mousavi und Karroubi haben das Volk dazu eingeladen an den friedlichen Protesten am 22. Bahman teilzunehmen. Viele weitere oppositionelle Gruppen haben ebenfalls zum Protest gegen das Regime aufgerufen.

Ferner protestieren seit Tagen die Familien der Inhaftierten politischen Gefangenen vor dem berüchtigten Evin-Gefängnis in Tehran. Der wachsende Druck hat dazu geführt, dass in den vergangenen Tagen mehrere politischen Gefangene aus der Haftanstalt entlassen worden sind.

In den Provinzen Irans nehmen die Proteste der Arbeiter verschiedener Branchen zu. Die desolate wirtschaftliche Lage, in der sich das Land insbesondere seit den Ereignissen nach dem Putsch im Juni 2009 befindet, treibt immer mehr Unternehmen in den Bankrott. Löhne können seit Monaten nicht mehr ausgezahlt werden. Der Unmut der arbeitenden Bevölkerung schlägt in politischen Protest um. Die Regierung ist gegenüber der steigenden Inflation, deren Rate mittlerweile bei 40% liegen soll, ohnmächtig.

Die südiranische Stadt Lar in der Provinz Fars erlebt seit Tagen Unruhen. Strassenschlachten mit Anti-Aufruhr-Einheiten dominieren das Stadtbild. Die Menschen nutzen regionalpolitische Entscheidungen aus, um ihre Unzufriedenheit gegenüber dem Regime kund zu tun. Wenn selbst in kleineren Städten das Volk vor Wut kocht, ist nicht abzusehen, was landesweit am 22. Bahman geschehen wird.

Drei mögliche Szenarien sind vorstellbar:

Zum Einen ist seitens der Regierung geplant eigene Leute (die sehr wahrscheinlich gezwungen oder bezahlt werden) auf dem Azadi-Platz in Tehran zu versammeln, um einer Rede Ahmadinejads beizuwohnen. Denkbar wäre ein sogenanntes "Ceauşescu-Szenario", benannt nach dem rumänischen Diktatur, der 1989 vom Volk festgenommen und hingerichtet wurde. Selbst mit der hohen Präsenz an Sicherheitskräften kann es passieren, dass Ahmadinejad dasselbe Schicksal ereilt.

Zum Anderen ist geplant, dass das Volk sich am Nachmittag des 22. Bahman, in großer Zahl vor dem Evin-Gefängnis versammelt. Ein Angriff im Stile des Sturms auf die Bastille am 14. Juli 1789 im Zuge der Französischen Revolution ist nicht auszuschließen. Das Volk wird zudem aufgrund der zu erwartenden rohen Gewalt, dass das Regime an den Tag legen wird, aufgebracht sein.

Das dritte Szenario, welches wohl das realistischste ist, stellt die Einnahme wichtiger Zentren des Regimes dar. Aufgrund des quantitativen Vorteils des Volks wird es unmöglich sein, alle wichtigen Gebäude zu schützen. Denkbar wäre die Erstürmung des Parlaments, des Innenministeriums sowie des "Führerpalastes".

Egal, was passieren wird. Eines ist sicher: Dieser Tag wird Iran für immer verändern. Es wird ein weiterer Schritt der Grünen Bewegung des iranischen Volkes sein auf ihrem schwierigen Weg zu Freiheit und Demokratie.

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