Samstag, 9. Januar 2010

Lagebericht Nr. 1

Nach der noch immer andauernden Verhaftungswelle und den Schließungen vieler Zeitungen, zeigt sich die Nervösität des Regimes nach den Ereignissen am Ashura-Fest sehr deutlich. Der Appell Mousavis, der als letztes Ultimatum an Khamenei gewertet werden kann, bei dem er fünf Mindestforderungen gestellt hat, die zur Lösung der gegenwärtigen schweren Krise führen sollen, setzt das Regime zusehends unter Druck. Es zeichnet sich bisher kein Einlenken ab, so dass davon auszugehen ist, dass sich die Lage noch weiter zuspitzt.

Das Versagen des Regimes die Grüne Bewegung zu zerschlagen zeigt sich unter anderem in ihrem Bemühen das Beschriften der Geldnoten mit Parolen, Zeichnungen und Gedichten gegen Khamenei und das Regime seitens der Grünen Bewegung zu unterbinden. Die Zentralbank hatte gedroht alle Scheine, die beschriftet sind, zu entwerten. Doch Mousavis Ankündigung den Tag der Entwertung als Tag der Beschriftung zu nutzen hat dem Vorhaben des Regimes Einhalt geboten.
Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass das Regime zusehends gelähmt ist, Herr der Lage zu werden. Zudem treten interne Streitigkeiten hinzu. Nun hat der parlamentarische Untersuchungsausschuss den ehemaligen Generalstaatsanwalt Tehrans, Saeed Mortazavi, als Hauptverdächtigen bezüglich der Verbrechen, die in der Haftanstalt Kahrizak nach den Protesten im Juni begangen worden sind, genannt. Mortazavi, der sich selbst während seiner Zeit als Generalstaatsanwalt zahlreicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat, soll nun als Bauernopfer hinhalten. Dahinter steckt die Idee, das Volk zumindest auf diesem Wege zu beruhigen. Aber die Kalkulation wird sich als falsch herausstellen. Die Grüne Bewegung hat mittlerweile weder den Wahlbetrug, noch einzelne Verbrecher fokussiert, sondern vielmehr den Revolutionsführer persönlich und das gesamte System der Islamischen Republik.

Ferner fällt es dem Regime und der Putschregierung immer schwerer, die bisher treu ergebenen Kräfte in den eigenen Reihen beisammen zu halten. Nicht nur der Hardliner und Parlamentsabgeordnete Rouhollah Hosseinian, ein Ahmadinejad-Anhänger, hat seinen Rücktritt eingereicht, sondern auch der Botschafter der Islamischen Republik in Oslo. Dieser allerdings, anders als Hosseinian aus Protest zum brutalen Vorgehen des Regimes am Ashura-Tag. Des Weiteren wurde heute gemeldet, dass aus dem selben Grunde der Botschafter Irans in Dänemark zurückgetreten ist. Dies deutet die Spaltung innerhalb des konservativen Lagers an.

Die Versuche mit Verhaftungen, Folter und der Ankündigung fünf Inhaftierte, die bei den Demonstrationen am Ashura-Tag festgenommen worden sind und denen die "Feindschaft zu Gott" ("Mohareb") vorgeworfen wird, hinzurichten, wird dem Regime nicht aus der Sackgasse helfen. Diese Phase der brutalen Niederschlagung wird die Grüne Bewegung überstehen, denn seit dem Wahlbetrug und den darauf folgenden Wochen und Monaten des Protests ist eines deutlich geworden: das Volk fürchtet nicht mehr die Schlägertruppen, Bassijis, Folterkammern, die das Regime seit 30 Jahren als Mittel zur Unterdrückung und Einschüchterung angewandt hat. Selbst Exekutionen werden dies nicht ändern. Eine Schwelle ist überschritten und die Wiederherstellung des status quo erscheint undenkbar.

Auch die Versuche die führenden Persönlichkeiten der Grünen Bewegung mit Drohungen zur Aufgabe zu drängen scheinen wirkungslos. Mehdi Karroubis Auto wurde gar vor zwei Tagen bei seinem Besuch in Ghasvin beschossen und von Bassijis und Schlägern in zivil wild attackiert. Dieser Mordanschlag verdeutlicht, dass das Regime eine enorme Angst hat und durch die Grüne Bewegung in die Ecke getrieben wird. Karroubi verkündete heute, dass solche Versuche ihn nur noch mehr veranlassen, sich für die vergessenen Rechte des Volkes stark zu machen.

Zudem beruhigt sich die Lage der Universitäten der großen Städte trotz der brutalen Vorgehensweise nicht. Fast täglich wird zum Boykott der Prüfungen und zum Streik aufgerufen.

Unter diesen Vorzeichen steuert der Iran auf einen weiteren besonderen Termin zu. Der 11. Februar (nach dem iranischen Kalender: 22. Bahman) wird wieder die Massen des Volkes dazu bewegen auf den Straßen Irans lautstark und mit vereinter Stimme gegen die Islamische Republik und ihre Führer zu protestieren. Am 22. Bahman feiert das Regime den Sieg der Islamischen Revolution von 1979. Diese Gelegenheit wird die Grüne Bewegung dazu nutzen, dem Regime und der ganzen Welt zu zeigen, das nun Millionen Iraner Freiheit, Gleichheit und ein würdevolles Leben fordern.

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